Videoüberwachungssoftware klingt dröge, nach einem System mit dem Behörden und Unternehmen ihre Gebäude und die Menschen darin überwachen. Doch von der Babyphone-Alternative bis zur Aquarium-Kamera gibt es unzählige Anwendungsbereiche, für die man sich mehr als nur eine simple Webcam wünscht. Hier kommt ZoneMinder gerade recht: die Open-Source-Software kann beliebig viele Kamera-Videoströme aufzeichnen, Events generieren, wenn auf einem der Bilder etwas passiert, die Daten ans Handy weiterleiten und bei Bedarf sogar per KI Personen und Gegenstände erkennen.
ZoneMinder läuft unter Linux und lässt sich auf einer eigenen Hardware installieren. Es implementiert eine teilautomatische Überwachungszentrale, die sich per Webbrowser oder Smartphone bedienen lässt. Damit wandern die heiklen Daten nicht in die Cloud – für viele Anwendungen im privaten und kommerziellen Umfeld ist das ein deutlicher Vorteil.
Oberfläche
Die Weboberfläche von ZoneMinder kann Einstiger zunächst überfordern. Sie wirkt etwas altbacken und überladen, es sind sehr viele Einstellungen verfügbar. Nach kurzer Eingewöhnung wandelt sich der Eindruck: Admins finden alle Einstellungen kompakt in einer flachen Menüstruktur. Wer die mitgelieferte Oberfläche trotzdem nicht mag, nutzt kurzerhand über die Erweiterung „ZmNinja“ eine deutlich hübschere und modernere Alternative.
Bei der Einrichtung von ZoneMinder kann der Anwender eine Kamera etwa per USB oder IP anbinden und den Videostream aufzeichnen oder nur live betrachten. Bei einer Aufzeichnung stehen viele Modi zur Auswahl. Zum Beispiel kann man sie auf dauerhafte Aufnahme stellen oder nur dann aufzeichnen, wenn Events eintreten, etwa wenn ZoneMinder selbst oder ein externer Bewegungsmelder auslösen. In dem Fall speichert die Software kurze Clips. Solche Events lassen sich zusätzlich mit Bedingungen und weiteren Aktionen versehen. Zum Beispiel könnte man bei einer Bewegung außerhalb der Geschäftszeiten eine E-Mail oder SMS versenden, die direkt auf den jeweiligen Clip verweisen.
Bei einem Livestream ist es möglich, die Kameras manuell oder automatisch zu steuern. Zusätzlich lässt sich der Livestream für eine begrenzte Zeit speichern und danach automatisch löschen.
Hinter ZoneMinder steckt ein kleines freies Entwicklerteam, kein Unternehmen. Dank großer Kompatibilität kann praktisch jede Kamera angeschlossen werden, die ein Bild über das Netz versendet oder sich per USB unter Linux verwenden lässt.
Erweiterungen
ZoneMinder bietet von Haus aus eine stabile Videoüberwachungs-Plattform. Dank einiger Dutzend Tools und Plugins lässt sich die Software nach Bedarf anpassen. Zum Beispiel kann man den oben erwähnten „ZmNinja“ verwenden: dabei handelt es sich um eine modernere und für den End-User angenehmere Oberfläche, die bis Ende 2022 unabhängig von ZoneMinder entwickelt wurde. Inzwischen kümmert sich das ZoneMinder-Team selbst um ZmNinja, seither ist auch die gleichnamige Handy-App kostenlos.
Eine recht komplexe Erweiterungen ist YOLO (You Only Look Once), das die Videoüberwachung mit künstlicher Intelligenz kombiniert. Sie kann beispielsweise einzelne Personen erkennen und in in der Videoaufzeichnung indizieren. Das klappt auch mit Gegenständen wie Laptops oder Aktentaschen. Um dies effektiv zu nutzen, muss die Software mit Bildern trainiert werden. Sie kann sogar Texte und Zeichen erkennen und das live im Feed anzeigen. Einer der Entwickler berichtet, dass er damit den verschwundenen Deckel seiner Mülltonne wieder finden konnte: er hatte seine Auffahrt wochenlang aufgezeichnet, die KI dann auf seine Mülltonne trainiert und konnte in den Videodaten dann direkt die Stellen finden, in denen die Müllabfuhr die Tonnen leerten, sowie den Zeitpunkt finden, an dem der Deckel verschwand.
Mit dem Addon Timelapse lassen sich alle Events, die an einem Tag erkannt wurden, in einem einzelnen Clip zusammenfassen. So kann sich der Hausherr am Abend einen Überblick verschaffen, was sein Hund tagsüber in der Wohnung angestellt hat. Mit dem Smarthome-Plugin lassen sich Events außerhalb von ZoneMinder erkennen und auslösen. Zum Beispiel kann mit bei einem bestimmten Event das Licht einschalten oder alle Türen und Fenster schließen. Bewegungsmelder oder Glasbruchsensoren eignen sich wunderbar, um einen Event in ZoneMinder auszulösen und hoffentlich den Einbrecher auf frischer Tat zu ertappen.
Licht und Schatten
Der enorme Funktionsumfang von ZoneMinder und seinen Erweiterungen hat durchaus auch seine Herausforderungen. Die Admin-Weboberfläche stellt hunderte Optionen bereit und wirkt damit unübersichtlich. ZmNinja ist übersichtlicher, aber letztlich muss der Admin auch hier seine Optionen kennen und finden.
Beim Logging von ZoneMinder zeigen sich ebenfalls Licht- und Schattenseiten. Zwar kann der Admin den Log auf der Webseite einsehen und nach Dringlichkeit filtern, was gerade beim Debugging hilft. Wenn ein Fehler dann aber alle paar Sekunden auftaucht, sollte man ihn schnell beheben, sonst wird das Log so umfangreich dass der Browser ewig braucht um die Seite zu laden.
Anforderungen
ZoneMinder ist recht weit skalierbar. Privatanwender und kleine Unternehmen, die nur einzelne Bereiche aufzeichnen wollen und dazu nur eine HD- oder Full-HD-Kamera benutzen, können ZoneMinder problemlos auf einem Raspberry PI betreiben. Sobald mehrere Full-HD-Kameras eingesetzt werden, man Bewegungen erkennen will und sogar YOLO verwendet, empfiehlt es sich auf stärke PCs mit einer leistungsfähigen Grafikkarten zu setzen.
Aus Datenschutz-Perspektive ist es sehr von Vorteil, dass man die Software im eigen Haus installiert und komplett unter Kontrolle hat. Was man aufzeichnen und wie lange man es aufbewahren will, sollte man anhand der tatsächlichen Notwendigkeit und der jeweiligen DSVGO-Regeln entscheiden. Immerhin muss man sich nicht mit den AGBs und sonstigen Verträgen eines Cloud-Providers auseinandersetzen.
Vom Anfänger bis zum Profi
ZoneMinder bietet eine stabile Videoüberwachungsplattform, mit der Einsteiger ebenso arbeiten können wie Profis. Dank ihrer Skalierbarkeit und den Erweiterungen lässt sich die Software an den eigenen Bedarf anpassen.