Als IT-Dienstleister wird man in den letzten Jahren gelegentlich an einen Zug von Lemmingen erinnert, wenn man das Verhalten mancher Unternehmen beobachtet: Da wird eine mühsam aufgebaute und komplett funktionierende Microsoft-Office-Umgebung aufgegeben, weil das Unternehmen „in die Cloud“ geht – so wie viele andere auch. Dort werden dann die gleichen Programme genutzt, die vorher lokal installiert waren – nur jetzt gesteuert über die Internet-Anbindung.
Microsoft forciert hier einen Trend, dem auch viele andere Software-Anbieter folgen. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet ist Adobe, dort stellte man das Angebot bereits vor Jahren auf Cloud-only um. Aufgrund der überbordenden Gewinne stieg der Aktienkurs innerhalb von 3 Jahren auf das Dreifache.
Während es also für Hersteller sehr gute betriebswirtschaftliche Gründe für die Cloud gibt, haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele Entscheider nicht begründen können, warum dieser Schritt für ihr eigenes Unternehmen vorteilhaft ist. Kostenvorteile können es jedenfalls nicht sein, dafür sind die Kostenunterschiede zu Gunsten der lokalen Installation einfach zu hoch. So übersteigt die Summe der monatlichen Mietkosten bereits nach relativ kurzer Zeit die Investitionskosten für eine lokale Installation, wobei hier natürlich noch laufende Kosten für die Wartung hinzukommen. Je nach Mitarbeiterzahl sind hier Monat für Monat tausende Euro für das Unternehmen fällig. Das vor einigen Jahren noch häufig benutzte Argument, dass Cloud günstiger wäre, hört man heute von den Anbietern nicht mehr.
Auch strategische Gründe fallen aus, denn man begibt sich in eine starke Abhängigkeit von Microsoft, von Sicherheitsbedenken ganz zu schweigen. So wurde erst Mitte April wieder ein Einbruch bei Online-Angeboten von Microsoft gemeldet. Wichtig zu wissen ist, dass bei den Office 365-Angeboten nicht einfach nur eine Anwendung in der Cloud genutzt wird, sondern dass auch alle Benutzerdaten mit Passwörtern dort abgelegt sind.
Zur Klarstellung: wir sind nicht gegen die Cloud-Angebote von Microsoft, wir sind sogar der Meinung, dass dies für bestimmte Kundengruppen genau der richtige Ansatz ist. Wir sehen es nur sehr skeptisch, einem Trend „blind“ zu folgen, der aus gutem Grund von den Anbietern generiert wurde.
Hier einige Beispiele, in denen der Einsatz von Cloud-Anwendungen generell sinnvoll ist:
Sehr kleine Unternehmen, die serverbasierte Anwendungen wie Groupware, CRM oder Ähnliches nutzen wollen oder müssen. Hier ist der Cloudansatz sinnvoll, denn der Aufwand für die lokale Installation und Pflege der Anwendungen ist, bezogen auf die Zahl der Benutzer, viel zu hoch. Agile Unternehmen oder lose Kooperationen, in denen die Akteure autark und mobil agieren, trotzdem aber verbindende Strukturen im Hintergrund brauchen. Bei Nutzung von Cloud-Angeboten sind in der Regel keine Wartungs- oder Backup-Arbeiten erforderlich. In Zeiten knapper IT-Ressourcen kann auch dies ein Grund für den Einsatz von Cloud-Anwendungen sein. Der zeitlich befristete Einsatz von Spezial-Software, zum Beispiel bei Ingenieurbüros: die zum Teil extrem teuren Softwarepakete werden nur für die Projektlaufzeit von einer Anzahl von Mitarbeitern benötigt. Die befristete Nutzung von Cloud-Angeboten macht hier betriebswirtschaftlich sehr viel Sinn, zudem stehen dann jeweils aktuelle Versionen der Anwendungssoftware zur Verfügung anstatt veraltete aus dem letzten Projekt.
Die optimalen Anwendungsfälle sind damit Umgebungen mit zeitlich befristeten Bedarf oder wechselnden Anwenderzahlen, kleine dezentrale Unternehmensstrukturen oder Konstellationen, in denen der initiale und laufende Aufwand nicht auf relevante Nutzerzahlen umgelegt werden kann.
Microsoft bietet für Unternehmen zwei Produktfamilien an, nämlich „Business“ für KMU bis zu 300 Arbeitsplätzen und „Enterprise“ für größere Unternehmen. Demzufolge sind die Haupt-Angebote Office 365 Business und Microsoft 365 Business bzw. Office 365 Enterprise, Microsoft 365 Enterprise.
Unter beiden genannten Produktfamilien gibt es eine verwirrende Vielzahl von Einzelprodukten („Online-Pläne“), die getrennt gebucht werden können. So ist beispielsweise ein Exchange-Server einzeln in mehreren Ausprägungen in der Cloud erhältlich, dies nennt sich dann „Exchange Online Plan 1“ oder „Exchange Online Plan 2“. Einzelprodukte können zudem beliebig kombiniert werden, meist kommt man jedoch mit den Standard-Bundles aus Kostensicht günstiger weg. Auswahlmöglichkeiten gibt es jedenfalls mehr als genug.
Das ist auch die Herausforderung für den Vergleich, den wir im Folgeartikel anstellen wollen. Um das Ganze in diesem Rahmen einigermaßen übersichtlich zeigen zu können, stellen wir daher zwei typische Szenarien auf, die wir aus der Praxis kennen:
Szenario 1:
Vergleich Exchange lokal mit Exchange Online
Szenario 2:
Vergleich MS-Office (mit lokaler Installation) mit lokalem Exchange oder Exchange Online
Als Firmengrößen (d.h. Anzahl Mitarbeiter) wählen wir für diesen Vergleich 5, 20 und 100 Mitarbeiter.
Mit diesen Randbedingungen untersuchen wir, wie sich die Kosten einer lokalen Installation (Wartungskosten eingeschlossen) über einen Zeitraum von 5 Jahren im Vergleich zur Cloud-Nutzung entwickeln. In der nächsten Ausgabe werden die Ergebnisse tabellarisch in einer Übersicht dargestellt.